Während Bürger um ihre Privatsphäre bangen, fürchtet die Wirtschaft eine Spionage ganz anderer Art. Doch so lange sie von US-Technologien abhängig ist, kann rechtlich nur wenig unternommen werden.
Über Jahre haben sich die Geheimdienste fremder Staaten hemmungslos an den Daten deutscher Bürger und Unternehmen bedient. Der Schaden für die Wirtschaft ist überhaupt nicht abzusehen, das Vertrauen in die Aufrichtigkeit unserer Freunde und europäischen Nachbarn nachhaltig beeinträchtigt. Die Frage ist nun: In welche Richtung muss sich die digitale Wirtschaft entwickeln?
Die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden verunsichern nicht nur Privatleute, sondern betreffen in besonderem Maße auch die deutschen und europäischen Unternehmen. Schließlich geht es in der Debatte immer deutlicher auch um Wirtschaftsspionage. Der britische Geheimdienst GCHQ gibt immerhin offen zu, es gehe ihm um „nationale Prosperität“. Und bereits im Jahr 2000 hat der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey bestätigt, dass sich die USA mittels Spionage- und Abhöraktionen in Europa Wirtschaftsgeheimnisse zu eigen machen.
Übermacht der USA
Sogar mit uns befreundete Staaten scheinen auf uns zu zielen. Zu Recht kochen also in der deutschen Wirtschaft Wut und Sorge vor einer breit angelegten Bespitzelung hoch, die aufgrund der technischen Möglichkeiten heute eine ganz neue Qualität erreicht. Letzten Endes ist es schließlich mindestens fragwürdig, dass die schieren Datenmengen, die von Europa abgesaugt werden, lediglich der Terrorabwehr dienen sollen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass hier Wirtschaftsspionage im großen Stil betrieben wird. So geraten vor allem auch die deutschen Mittelständler ins Visier. IT-Sicherheitsmanagement gehört bei den Unternehmen jetzt also ganz oben auf die Agenda, um sich vor solchen Angriffen und „Abgriffen“ zu schützen.
Die Anti-FISA-Klausel hätte unterdessen Ausspäh-Programmen wie Prism die rechtliche Grundlage entzogen. Wir fordern, dass die Klausel wieder in die EU-Datenschutzgrundverordnung aufgenommen wird. Die Klausel verhindert die Herausgabe von Daten europäischer Bürger an Drittländer. Bedauerlicherweise ist die EU eingeknickt. Der Druck vonseiten der USA war zu groß. Schließlich hätten auch die international agierenden US-Unternehmen zwischen den Stühlen gesessen: Einerseits wären sie verpflichtet gewesen, Daten an die USA weiterzugeben, andererseits hätten sie damit gegen EU-Recht verstoßen. Dass die Klausel gestrichen wurde, verdeutlicht die Abhängigkeit der Wirtschaft von US-Technologien. Uns zeigt das vor allem, dass wir der Übermacht aus den USA ein Gegengewicht entgegensetzen müssen und ich denke, dass wir das können.
Wir brauchen den „Internet-Airbus“
Unser Denkanstoß in dieser Debatte: ein europaweites Unternehmenskonsortium, eine Art „Internet-Airbus“, ähnlich der Airbus-Idee aus den 70er-Jahren. Das Flugzeugbauen hat den Europäern damals auch niemand zugetraut – jetzt liegt es an uns, Selbstbewusstsein zu zeigen und uns aus der Internet-Umklammerung der USA zu befreien.
Hat die Debatte also auch ihr Gutes? Ich meine ja. Das Thema IT-Sicherheit ist jetzt endlich da, wo es schon lange hingehört: ganz oben auf der Tagesordnung. Wir sehen die Chance der deutschen IT-Branche, sich neu aufzustellen, der IT-Sicherheitsmarkt öffnet sich, die Unternehmen können wachsen. Wir müssen jetzt Selbstbewusstsein zeigen und uns auf unsere technologischen Stärken konzentrieren, auf eine IT-Sicherheit „Made in Germany“. Das Internet ist das Rückgrat des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Technische Lösungen, auf die wir uns verlassen können, die unsere Kommunikation sichern und unsere Daten zuverlässig schützen, ohne Hintertüren – solche IT-Produkte und Angebote brauchen wir jetzt. Ich meine: Das kann die digitale Wirtschaft in Deutschland leisten. Dazu sind allerdings zusätzliche Anstrengungen notwendig, um den Abstand zu den ausländischen Wettbewerbern aufzuholen.
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